Der Dr. Fox Effekt

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Liebe Leser!
1970 hielt Myron L. Fox vor Medizinern im Rahmen einer jährlichen Fortbildungsveranstaltung einen Vortrag mit dem Titel »Die Anwendung der mathematischen Spieltheorie in der Ausbildung von Ärzten«. Fox, der als „Autorität auf dem Gebiet der Anwendung von Mathematik auf menschliches Verhalten“ vorgestellt wurde, beeindruckte die Zuhörer mit seinem Auftritt derart, dass keiner von ihnen merkte, dass er ein Schauspieler war und in Wahrheit keine Ahnung von Spieltheorie hatte!
Hinter dieser Täuschung standen die Erziehungswissenschaftler John E. Ware, Donald H. Naftulin und Frank A. Donnelly. Das Experiment sollte folgende Frage beantworten: Ist es möglich, Experten mit einer brillanten Vortragstechnik allein so hinters Licht zu führen, dass inhaltlicher Nonsens nicht bemerkt wurde? Sie feilten mit Fox (der in Wahrheit Michael Fox hiess) so lange an dem Vortrag, bis jeder Sinn darin verschwunden war.

Fox war sich sicher, dass der Schwindel auffliegen würde. Aber das Publikum hing an seinen Lippen und begann nach dem einstündigen Vortrag sogar, fleißig Fragen zu stellen … Auf dem Beurteilungsbogen gaben alle zehn Zuhörer an, der Vortrag habe sie zum Denken angeregt, neun fanden zudem, Fox habe das Material gut geordnet, interessant vermittelt und ausreichend erklärende Beispiele eingebaut. Einer glaubte sogar, schon Fachartikel von Myron L. Fox gelesen zu haben.

Die Wissenschaftler wiederholten die Vorträge auch mit einer größeren Anzahl von Zuhörern. Die Ergebnisse waren immer ähnlich. Dass der Stil eines Vortrags über seinen dürftigen Inhalt hinwegtäuschen kann, wurde daher der „Dr. Fox Effekt“ genannt.

Machen die typischen Evaluierungsfragebögen nach einer Veranstaltung im Licht dieser Erkenntnisse überhaupt noch Sinn? Wenn Studenten auf Fragebögen eine Lehrveranstaltung beurteilten, zeigt sich darin nicht viel mehr die Zufriedenheit mit dem Auftritt und weniger die inhaltlichen Qualitäten, auf die es doch eher ankommen sollte? Daher schrieben die Autoren im Artikel über das Experiment auch „Unterrichten besteht aus viel mehr, als nur die Studenten glücklich zu machen“.

Immerhin: Nachdem die Zuhörer über den „Betrug“ aufgeklärt worden waren, erkundigten sich einige von ihnen dennoch nach weiterführender Literatur. Der Vortrag – obwohl nichtssagend – hatte durch seinen Stil offenbar das Interesse am Thema geweckt. Wäre es daher nicht eine gute Idee, wenn (rhetorisch wenig qualifizierte, aber fachlich gute) Professoren, anstatt manche selber Vorlesungen zu halten, Schauspieler dafür trainieren, um die Motivation der Studenten zu steigern?

Wenn ein Schauspieler ein besserer Lehrer ist, warum nicht auch ein besserer Parlamentarier oder sogar ein besserer Präsident?
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1981 wurde der Schauspieler Ronald Reagan Präsident in den USA und wurde sogar wiedergewählt, trotz einer Alzheimer-Erkrankung. Er scheint seinen job (als Schauspieler?) gut gemacht zu haben.

Vom Kabarretisten und Schauspieler Wolodymyr Selenskyj, der 2019 zum Präsidenten der Ukraine gewählt worden war, ganz zu schweigen - ein perfektes Beispiel, wie ein Schauspieler als Marionette eingesetzt werden kann, um Politik zu machen.

Und unsere Politiker heute? Wir wissen, dass sie (sofern keine Naturtalente) intensive Rhetorikausbildungen absolvieren. Was unterscheidet sie eigentlich de facto von Schauspielern?

Referenzen:
http://adrianmarriott.net/logosroot/papers/DrFoxSpoof.pdf
http://ruschneider2.webs.com/drfox.htm
https://www.theguardian.com/world/2011/jan/17/ronald-reagan-alzheimers-president-son
Video mit Originalfootage des Vortrags



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5 comments
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Hi! I am a robot. I just upvoted you! I found similar content that readers might be interested in:
https://www.youtube.com/watch?v=hbg5q8c20os

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je weiter man sich von der Lokalpolitik entfernt, desto gefeilter werden die Tricks und desto häufiger die leeren Phrasen.

Bei den Studenten stimme ich dir natürlich nicht ganz zu: Am besten ist es, wenn solide inhaltliche Kompetenz und rhetorische Qualität in einer Person vorhanden ist. Gibt es an den Unis halt selten, weil diese Leute in der Privatwirtschaft das 3fache verdienen ;-)
Ich ziehe aber glaub ich trotzdem die inhaltliche Kompetenz vor, wenn ich wählen müsste.

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Danke für diesen Artikel! Ich kannte dieses Experiment noch nicht. Auf der Hochschule kam ich mir leider fast die ganze Zeit so vor. Ich hätte am liebsten laut herausgeschrien, dass das, was uns hier verzapft wird, einfach Bullshit ist. Ich tat gut daran, die Klappe zu halten. Spricht man die Wahrheit, ist man sich unter Umständen des Lebens nicht mehr sicher! Man deklariert sich zum Feind derer, die von der Lüge leben, und wird beinahe von den Unwissenden gesteinigt, die das Spiel nicht durchschauen. Drum wird geschwiegen und geheuchelt und die, die nicht durchblicken, bleiben manipuliert. Und das nennt sich gebildete Zivilisationsgesellschaft. Nun möchte ich nicht kommentieren, ohne Lösungen anzubieten. Das wäre Stoff für ein Buch. Ein waches Bewusstsein und Angstfreiheit wären der Anfang. Die Bereitschaft, alles zu hinterfragen, eine weitere Voraussetzung. Dann ist es an der Zeit, für Aufklärung zu sorgen, jeder, wo er sich gerade befindet. Heute gibt es dazu viele Wege, die es früher nicht gab. Doch ebenso wichtig ist es, parallel dazu eine neue, offene Lern- und Gesprächskultur aufzubauen, die zu einer förderlichen Zusammenarbeit führt. Denn wir haben nicht nur den kritischen Durchblick selbst zu erlernen - der wird an keiner Schule gelehrt! - sondern wir müssen auch ein konstruktives Miteinander lernen, auch ohne Motivatoren und ohne Aufpasser. Wie auch schon an anderer Stelle geschrieben, Steemit ist ein positives Beispiel und eine enorme Hilfe auf dem Weg.

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