Angriff auf die Alten: Leistung bis zum Leichensack
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Lange war klar, wer die Rentenkasse plündern will. Jetzt herrscht Ernüchterung. |
Sie haben über Jahrzehnte gelogen, betrogen, die Bilanz aus schwarzen Kassen aufgebessert. Rein rechnerisch war klar, dass entweder ein Produktivitätswunder geschehen muss, damit immer weniger Arbeiter und Angestellte ein immer schneller wachsendes Heer an Senioren unterhalten können. Oder die Beiträge von Versicherungspflichtigen und Steuerzahlern werden so drastisch und so hoch steigen, dass das System auf der anderen Seite kollabiert.
Hohe Beiträge, niedrige Renten
Nun sind deutsche Renten im weltweiten Maßstab niedrig, die Beiträge aber vergleichsweise hoch, obwohl der Staat seit Jahren alles richtig gemacht. Verschiedene Haltelinien wurden im Rahmen des Erfolgskonzepts ausgerufen, nichts zu hoch und nichts zu wenig, immer gerade so, dass es reicht bis zu dem Tag, an dem die seit 2015 nach Deutschland Geflüchteten wie geplant für die Rente ihrer Retter vor Krieg, Gewalt und Verfolgung aufkommen.
Ein knappes Fünftel seines Lebenseinkommens über durchschnittlich 40 Jahre gibt ein Arbeitnehmer als Beitrag ab, um damit den Anspruch zu erwerben, sich aus der Rentenkasse anschließend durchschnittlich 18,8 Jahre (Männer) und 22,2 Jahre (Frauen) unterhalten zu lassen. Rein mathematisch eine saubere Rechnung: Ein Fünftel wird über 40 Jahren eingezahlt, die Auszahlungen liegen dann im Durchschnitt über 20 Jahre bei knapp unter der Hälfte des letzten bezogenen Lohns oder Gehalts.
Blüm und sein Jahrhundertversprechen
Das geht auf, solange niemand ins eigene Portemonnaie schaut. Schon Norbert Blüm, der Mann, der die Rente für sicher erklärte, verzichtete deshalb wohlweislich darauf, dabei deren Höhe zu erwähnen. Sicher können 5.000 Euro im Monat sein, aber auch fünf. Von "ausreichend" sprach Blüm nicht, denn vor 30 Jahren schon verrieten alle Projektionen, dass der im Kaiserreich erdachte Versuch, den Wohlstand der Gesellschaft über die Generation der gerade Arbeitenden hinaus zu bewahren, wenn alles, was danach kommt, an Köpfen deutlich weniger zählt, nicht funktioniert, wenn immer weniger arbeiten und immer mehr Ansprüche erwerben, die nie gearbeitet haben
Die sogenannte "Sicherung der Rente" blieb deshalb stets ein ebenso dringliches wie heikles Thema, etwa vergleichbar der Suche nach einem Atommüllendlager, nur schwieriger auf den St. Nimmerleinstag zu verschieben. Die SPD hat sich langfristig entschlossen, das wachsende Problem zu ignorieren. Die Umfragewerte sind auch so schon schlecht genug.
Wer soll das bezahlen?
Wie das alles bezahlt werden soll, weiß bei der deutschen Sozialdemokratie niemand. Aber die SPD-Vorsitzende Saskia Esken will den Menschen zumindest das Gefühl vermitteln, dass die Politik sie und ihre Lebensleistung sieht und anerkennt. Vielleicht bekommt es der eine oder andere in Thüringen, Sachsen und Brandenburg mit und macht sein Kreuzchen doch entsprechend.
Für alle anderen hat die CDU genug Umfragekraft gesammelt, um mit kommenden Grausamkeiten hausieren zu gehen. Aufmunitioniert von der Wissenschaft, die immer zu Diensten ist, wenn sie gebraucht wird, wird die schnelle Anhebung des Rentenalters für die Zeit nach der Rückkehr in die Bundesregierung im kommenden Jahr bereits angekündigt. Länger arbeiten, härter und ohne feste Regelaltersgrenze, das wird die Zukunft, wie die Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung MIT, Gitta Connemann, verraten hat. Das Rentenalter - in Frankreich derzeit drei Jahre früher, in Polen zwei und in Schweden ein Jahr - wird ans Restlebensalter gekoppelt und wächst dynamisch mit.
Niemand soll zu lange ausruhen
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Das neue CDU-Wahlkampfversprechen kommt nicht gut an. |
Für die seit Jahren schwächelnde Wirtschaft, die mit Fachkräftemangel und steigender Arbeitslosigkeit gleichermaßen zu kämpfen hat, wäre eine Gnade. Doch werden die Menschen das einsehen, vor allem die Älteren? Werden die Boomer begreifen, dass ihre Mitarbeit unumgänglich ist, weil sonst "diejenigen am allermeisten leiden, die ausschließlich auf die gesetzliche Rente angewiesen sind", wie Connemann zusammengefasst hat?
Oder werden die CDU-Pläne manchen Wähler und manche Wählerin verschrecken, der sich eben noch schon im Ohrensessel gesehen hat, gelassen den Lauf der Dinge und den Niedergang der einstigen Industrienation betrachtend? Und nun zurückgeworfen in die Verwertungsmaschinerie des kapitalistischen Systems?
Auf dem Bau und im Büro
Ausgeschlossen ist es nicht, dass viele die Notwendigkeit begreifen, weiterhin mit zuzupacken auf dem Bau, im Büro, bei der Polizei, in den Bars und beim Transformieren der 25 Millionen Gebäude, die bis 2035 klimagerecht gedämmt und mit erneuerbaren Heizungen ausgestattet werden müssen? Das spart etliche der raren Plätze im Pflegeheim und Pflegekosten außerdem. Doch sind die Menschen schon so weit? Erste Umfragen (oben) lassen die SPD hoffen: Das neue CDU-Wahlkampfversprechen kommt nicht gut an, drei von vier Teilnehmer lehnen die Idee ab, Leistung bis zum Leichensack liefern zu müssen.