Blaues Wunder: Edekas gescheiterter Endkampf

Manchmal wirbt Edeka für Blau, manchmal warnt die Firma davor
Blau mochten sie bei Edeka nicht, oder doch, je nachdem, wie es gerade politisch passt. Früher hielten sie es mit Braun so. Neue Farbenspiele sind jederzeit möglich.

Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt und kein ostdeutsches Auge je hinschaut, hatte die Handelskette Edeka Mut bewiesen. In den großen Zeitungen des verbeamteten Bionadeadels schaltete die  Einkaufsgemeinschaft der Kolonialwarenhändler vor der Bundestagswahl eine augenzwinkernde Annonce, die von kundigen Codeknackers umgehend als "Anti-AfD-Anzeige" (Spiegel) entschlüsselt wurde. Edeka im Endkampf um die Köpfe, Seelen und vor allem um die Stimmen der Ostdeutschen, eine weitere Stimme, die kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen vor der AfD warnt. Selten nur war eine "politische Botschaft" (Spiegel) wichtiger. Und Gesicht zeigen mutiger.  

Angriff der Zerstörer

Denn gerade die von Hamburg aus regierte Einkaufsgenossenschaft, die schon vor dem Ersten Weltkrieg mit hedonistischen Angebote aus tropischen Ländern zur Zerstörung des globalen Klimagleichgewichts beigetragen hatten, schaut auf eine Vergangenheit zurück, in der immer mal die eine oder andere Farbe favorisiert oder abgelehnt wurde. Der ganzseitigen Aufruf in der FAZ und der "Zeit" richtet sich gegen Blau, denn das sei nicht gut und stehe "deshalb bei Edeka nicht zur Wahl". 

Den Werbern der Supermarktkette zufolge, die zuletzt wegen versteckter Nazi-Werbung in Edeka-Clips in die Kritik geraten waren, handelt es sich dabei um "eine Lehre aus der Evolution", die es stets vermieden habe, Obst oder Gemüse in Blau herzustellen. Doch nicht nur bei Obst und Gemüse sei Blau der natürliche Feind gesunder Vielfalt. "In Deutschland sind die Blauen schon heute die größte Bedrohung einer vielfältigen Gesellschaft", augenzwinkert Edeka in Richtung AfD. Auch Blaubeeren und Blaukraut seien kein Beweis des Gegenteils. "Sie haben zwar ‚Blau …‘ im Namen, aber nicht in den Farbpigmenten. Sagt jedenfalls die Wissenschaft – und auf die sollte man ja bekanntlich viel öfter hören", schreibt Edeka dazu.

Blaukraut bleibt Blaukraut

Dasselbe trifft auf das Firmenlogo des Unternehmens zu, das seine Mitglieder nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Ende Januar 1933 umgehend aufforderte, den NS-Kampfbünden für den gewerblichen Mittelstand beizutreten. Blau auf gelbem Grund, so sieht es aus, das Zeichen des Großunternehmens, das in einer Rangliste der Lobbyorganisation Oxfam zur Anstrengung von Firmen zur Vermeidung von Menschenrechtsverstößen in ihren Lieferketten wiederholt auf dem letzten Platz landete. 

Inkonsequent ist das nur auf den ersten Blick. Edeka schaut auf eine lange Geschichte gelenkiger Wendungen je nach politischer Windrichtung zurück. Nur drei Monate nach der Übernahme der Macht durch Hitler erklärten die tapferen Pfeffersäcke ihre Gleichschaltung und die bedingungslose Unterordnung unter die Vorgaben der Nazi-Regierung.

Mitarbeiter der nationalen Revolution

Alle Genossen und Angestellten mögen nun "aktive Mitarbeiter der nationalen Revolution" werden, forderte die Vorstandsetage. Edeka-Direktoren hatten nun ein NSDAP-Parteibuch. Die Kaufleute wurden motiviert, "den Ladentisch als Kanzel für die Aufklärungsarbeit" zu nutzen, um "dem Führer zu helfen, das Vaterland vom Auslande unabhängig zu machen." 

Braun, nicht Blau war die Edeka-Farbe. Alles eben zu seiner Zeit. Damals expandiert Edeka ins Saarland und später ins angeschlossene Österreich und das Sudetenland. Dankbar hält es die Einkaufsgenossenschaft für ihre Pflicht, "die Lehre Adolf Hitlers ­immer wieder aufs Neue den Lauen und Wankelmütigen ­unter ihren Kunden zu verkünden". Bis 1965 bleibt das Logo Schwarz und Gelb, dann wurde Schwarz durch Blau ersetzt, ausgerechnet die Farbe der "größten Bedrohung einer vielfältigen Gesellschaft", die bei Edeka "nicht zur Wahl" steht.

Das ist verwirrend. Das ist überfordert nicht nur die dumpfen Adressaten im Osten, sondern auch wohlmeinende Besorgnisträger in den zivilisierten Regionen. Natürlich, das Lob von oben war der mutigen Aktion gewiss. Manch berufener Mund tat Begeisterung kund. Darüberhinaus aber mangelte es an Applaus, die Gesellschaft bliebt seltsam unberührt und unengagiert. 

Ob die Botschaft vom Blauen als dem ultimativ Bösen trotzdem angekommen ist, wird in wenigen Stunden feststehen.



0
0
0.000
0 comments